# 81 / Spezialisierung – Arbeitsteilung als Objektteilung

Den positiv besetzten Begriff der Konzentration auf irgendwas – besonders in Arbeitsprozessen sichtbar – als Einschrän­kung des Gegenstandes, Phänomens  zugunsten einer ihn objektivierenden, d.h. herausschneidenden Beschreibung zu begreifen, heißt, das auf einen Gegenstand angewendete Beobachtungskalkül mit anderen Gegenständen vergleichbar zu machen. So erfährt man die mit Sichtschutz begrenzten Autobahnen kategorischer Analogie. Die Objektfokusion bedingt die Reduzierung der Vielfältigkeit zugunsten einschränkbarer Details und erzwingt die Schrumpfung der Wahrnehmungsmöglichkeiten. Die Auskopplung einzelner Sinnes-Wahrnehmungen im Prozess ihrer Vergegenständlichung zum Beschreibungsmaterial – Töne zu Noten, Wiesenlicht zu Pantone-Farben, Berührung zu Kilogramm – fungiert für die eingeschlossenen Geißeln der Wahrnehmungssinne als unabgelenkte Tunnelfahrt. Sie soll den Beginn des objektiven Beobachtens, Denkens bedingen, nachdem viel Gegenwärtiges weggeschla­gen worden ist.1vgl. John C. Eccles, in: Das Gehirn des Menschen, Piper, Seite 128 Der als Objekt kalkulierte Gegenstand wird auf die Verifizierbarkeit seiner kalkulierbaren Teile eingefroren, Teile immer kleiner. Die Herauslösung des Gegenstands oder des Phänomens durch die Beschreibungskriterien kann nicht durch neue Modifikation der Kriterien rückgängig gemacht werden. Der Ausgangspunkt kann durch einen neuen ersetzt werden. Die objektivierende Beschreibung schleppt ein Präteritum des Objekts in die Gegenwart des Beschreibens. „Alle bewußten Erfahrungen und Handlungen sind von einem Erinnerungsvermögen abhängig.“2John C. Eccles, in: Wie das Selbst sein Gehirn steuert, Piper, Seite 130 Entsteht nicht dadurch eine Fixierung auf das Erinnerbare? Stetig neu zu machende Erfahrung verkümmert, überschwemmt das Vermögen des sich Erinnerns (, das auf fixierte und damit wiederholbare Objekte angewiesen ist) und stellt es ob seiner nutzbaren Anwendung, Zuordnung in Frage. Die erlernte Gewohnheit ist nutzlos, was ehemals hilfreicher Stift war, ist Stachel – wozu ist er da? Ständig sich wandelnde Objekte, sind schwerlich durch Objektivierung festzusetzen. Die Spezialisierung im Deduktionszwang des zweckgerichteten Denkens3vgl. Gregory Bateson, in: Ökologie des Geistes, „Bewußte Zwecksetzung versus Natur“, Seite 549 ff dünnt die Sinneshäute aus, strebt letztlich Wiederholung ohne Erfahrung an, kulminiert in funktionelles Dasein – jeder und jede an ihren zugewiesenen Plätzen. Interessant ist der Zusammenhang von Fokussierung als Einschränkung auf immer spezialisiertere Einheiten (Kategorie-Objekte) bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von Komplexität als funktionellen Sinn von Systemen. Luhmann spricht von Ausdifferenzierung durch Selektion.4z. B.: „Der Grund für die Notwendigkeit von Reduktionen liegt in der Struktur des Komplexitätsproblems, nämlich darin, daß Komplexität zur Selektion bevorzugter Relationierungsmuster zwingt… Im Komplexitätsproblem kommt die Differenz von Selbstreferenz im Objekt und Selbstreferenz in der Analyse, von beobachtetem und beobachtendem System zur Reflexion.“ Seite 89, Und: „Alle Selektion setzt Einschränkungen (constraints) voraus. Eine Leitdifferenz arrangiert diese Einschränkungen, etwa unter dem Gesichtspunkt brauchbar/ unbrauchbar, ohne die Auswahl selbst festzulegen. Differenz determiniert nicht was, wohl aber daß seligiert werden muß. Zunächst scheint es dabei vor allem die System/Umwelt-Differenz zu sein, die erzwingt, daß das System sich durch eigene Komplexität selbst zur Selektion zwingt. Im semantischen Raum von >>Anpassung<< ist also auch im semantischen Raum von >>Selektion<< die Theorie selbstreferentieller Systeme vorbereitet.“ Seite 57, Niklas Luhmann, in: Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie, stw 666, Suhrkamp Verlag Frankfurt a. Main, 1987, Seite 89
Noch eine psychologische Seite: Wenn die verstärkte Benutzung der Ratio Wahrneh­mungsquantität reduziert als Einschränkung zugunsten der Konzentration auf Weniges, die Übersicht gewährt, bedeutet das nicht Ausschluss von Umwelt, Mannigfaltigkeit? Die Reduktion fungiert als Gegenreiz im Rückzug zum inneren Fluten, weil die allgegenwär­tige Welt, die zunehmenden Produktschreie überall die persönliche Welt zerstört. Briefmarkensammler, Spinnenmelker.

Entfremdung
Mit der ins Private geretteten Macke, in die persönliche Kleinstruktur (Freunde, Familie) übernommenen Kauzigkeit – mangelnde Fremdreferenz? – wird im Subjekt die entkörperlichende Arbeitsweise/ Handlungsstruktur seines Arbeitsplatzes zur pathologischen ratifiziert. Denn was in den Stätten der Produktion als Bedingung für komplexe Arbeit gilt, dringt im entspannten Zustand – in der Nichtarbeit – an die Oberfläche der von sich entfremdeten Sinne. Es wird das Sehen, Berühren, Fühlen, Kotzen gefeiert. Das Innegehaltene läuft über den Rand des Gefäßes – alles muß raus! – der nichtangewendete Mensch arbeitet gegen sich: Der äußere Imperialismus schlägt in inneren um. Agiert sich gegen seine Spezialisierung aus. Als exerzierte der gepresste Mensch sich selbst noch einmal vor, um in dieser Selbstgewähltheit Schutz zu finden? Die Macken, die Tics, der Spleen. als letztes Refugium. Ein Spiel aus Reduzierung und Verstärkung von Bewußtseinsreizen, je nach Stellung oder Funktion im Produktions- oder Kommunikationsprozess, das sich auf die Ware bezieht, durch Waren getrieben wird und schließlich nur in Warenform sich noch ausdrücken kann: Ist es das, was Marx mit Entfremdung meint?5Unter der Überschrift „Die entfremdete Arbeit“ in: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, setzt sich Karl Marx besonders mit den Entfremdungs-Folgen von Ausbeutung auseinander, Karl Marx, Friedrich Engels, Ergänzungsband – Schriften bis 1844, Erster Teil, Dietz Verlag Berlin 1977, Seite 510 f

 

 

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