106, Kinderspiel: Phantasie II

Die Entwicklung zum Phantastischen, Träumerischen aus den Realien, dem Vorgefundenen heraus, nimmt nicht nur eine Fluchtrichtung auf, ebenso überbrückt die Phantasie dadurch die Leerstellen einer nichterzeugten, nicht eingeholten, nicht verstandenen Realität mit ihrem spielerischen oder vorgestellten Ersatz. Im Modus des „als ob“ wird Realität simuliert – man ist noch nicht betroffen, aber erzeugt im Spiel Varianten des Verstehens (kindliche Spiele). – Aus den Leerstellen wird Freiraum gewonnen, mit möglichen Zuschreibungen ausgefüllt. Die Besetzung der Umwelt geht folgerichtig idealisiert voran. Aber: an die eigens erzeugte Idealisierung kann man sich fest-halten.
Die stellvertretende Einsetzung der Realität im Spiel, im Phantastischen, in Tagträumen ist eine Setzung der Differenz zum alltäglichen Leben. Die Differenz zur alltäglichen Struktur des Lebens wird angezeigt, die Überbrückung deutlich. Die Antizipation potentieller Handlungsmöglichkeiten wird spielerisch versucht, indem die vor-gestellten Be-Bilderungen in Orte, in Zeiten getauscht werden. Mögliche Zukunft wird im Hier und Jetzt simuliert. Die idealisierten Zeiträume, Raumzeiten (im Spiel, in der Kunst) sind ins Dasein einwirkenden Vor-Erfahrungen, eine Schule der Realität, sind ein Einüben wie Beschreiben der Wirklichkeit. Das Kunstwerk ist eine auf die vorgefundene Situation angewendete phantastische Übersetzung zum Lebendigsein.
Die Teilnahme am praktischen und sozialen Leben ist auch über die erarbeiteten, spielerischen, manchmal psychotisch anmutenden Umwege erreichbar. Eine ästhetische Verwandlung der Stürme in Artefakte, um mit ihnen über das bedrohte Areal des Selbst zu kommen.

Wissensschrei
Alles Wissen einsetzen, ausufern lassen, verschiffen. Verwirklichung drängenden weil ertrinkenden Geistes dringender Ideen ertränken die Zweifel. Im Erddunklen das revolutionäre Schaufeln am Ich. Die Realität der Befreiung bestimmt die Poesie des Kampfes. Die Schlacht hechelt ihrer eingeschrie­benen Poesie hinterher. Gedichte werden von ihrem beschworenen Blut unkenntlich.

 

 

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