Prolog

ICH HABE EINEN PLAN/ DER NUR MICH BETRIFFT.

 

Im verzweigten Text-Raum von Thesaurus Journal habe ich meinen Ort gefunden: Zwischen Fundstück & Beobachtung, Montage und Kommentar, zwischen 2001 und 2016. Ich wollte dem eine Stimme geben, was in den Zuschreibungen über Kunst und in meiner Arbeit ertrank, in der Vita nicht zu Wort kommt.
Ich habe mit kleinen Sprach-Schnipseln, Fotos, Anmerkungen zu Texten angefangen – sie sollten meine Eindrücke festhalten und Orientierung geben. Sie waren Zeichnung wie Bau, Rüstzeug wie Rüstung. Später verselbstständigte sich die Arbeit zu einer multiplen Text-Skulptur. Ich habe mich in literarischen Rollen verstrickt, philosophische Gebärden, wissenschaftliche Kontexte gegeneinander antreten lassen und sie durch eigene Rede-Figuren aus dem Off kommentiert. Diese Arbeit versucht nicht, mit einer Haltung, Einstellung all die Phänomene zu fassen, einzugrenzen, die im Kontext der Herstellung und Partizipation oder der sozialen Konstruktion von Kunst auftauchen. Meine Idee war, aus der eigenen Desorientierung, mangelnden Verortung künstlerischer Praxis, aus den Fäden des Schicksals ein Netz zu knüpfen, das aus verschiedenen Theoriepunkten, Thesen, Quellen und eigenen Befindlichkeiten nachvollziehbare Bezüge, Standpunkte verschafft. Einerseits, um die vielfältigen Möglichkeiten der Annäherungen zu zeigen und andererseits, um die möglichen Verstrickungen, die die aufgezeigten Annäherungen nach sich ziehen, hier offen zu legen. Blickwinkel ausschöpfen. Ich hatte keine linear thematische Abhandlung im Sinn, sondern wollte meinen alltäglichen Umgang mit Kunst, Literatur, mit gesellschaftlichen Strukturen und was mich sonst beeindruckte, durcharbeiten. Aufstehen, Kaffee trinken, Bild malen, Buch lesen, Radio hören und schreiben. Tageszeit, Kleiderordnung, Sommer oder Winter, egal. Über die Jahre sind viele Rahmen – Frames – aus unterschiedlichen Blicken entstanden. Es entspann sich ein Netz ungeahnter literarischer Möglichkeiten, sich den Dingen, Kunstwerken, Texten zu nähern. Das war interessant. Ich will hier zeigen, was Autoren zu meinen Worten zu sagen haben, wie sich ihre Fiktionen gegen meine behaupten. In Worthaufen und Bücherketten suchte ich nach nackten, klaren Sätzen: nach Gewissheit. Ein rarer Ort, zwischen Masken und Wort-Meute. Der Schacht Realität morphte in meinen Kopf hinein – an den Grinden meiner Höhle mein Text.
Überall.

 


© Hans Georg Köhler, 2014

 

Die Beschreibungsweisen änderten sich mit den Inhalten. Um die Orientierung zu erleichtern, sind lyrische Formen in blauer Schrift, Zitate rot gekennzeichnet. Über den Menüpunkt Suche kann nach Begriffen gesucht werden. Die Frames umreißen den jeweiligen Rahmen eines Artikels, eines kurzen Textes oder Essays mit wenigen Worten. Ähnlich einer Überschrift. Alles ist als Versuch zu verstehen. Thesaurus Journal ist die Summe aller Frames. Durch die nummerische Bezeichnung der Frames bleibt es möglich, sie linear, nacheinander und in der ursprünglich verfassten Abfolge zu lesen. Die Abfolge ist also historisch bedingt und kein Merkmal der Aktualität.
Fundstücke waren willkommen, fragmentarisches Gepäck ist Gebäck. Auftauchende Hinweise im Text sind wie Grüße an andere Autoren, als Respekt und Gedenken oder noch zu lesende Stellen zu verstehen. Die Sehnsucht, Welt mit meinen Neuronen anzueignen, den Menschengeruch im Wartesaal oder das Gezwitscher im halbdunklen Hinterhof mit Worten zu stillen, war immer real – wie auch, sie dem Zweifel zu leihen.
Meine Lebensform korrespondiert mit der Arbeitsform am Text. Vom Hypertext zur Hieroglyphe ist es nicht weit. Ich will den Klumpen Realität in die Hand nehmen wie Worte in den Mund. Mich überschwemmt ein Meer aus Wellen.
Siehst du es nicht?

Edgar:           Horcht! Hört Ihr nicht die See?
Gloucester:      Nein, wahrlich nicht! –
Edgar:           Dann werden Eure andern Sinne stumpf
                 Durch Eurer Augen Schmerz…
                 Kommt Herr, hier ist der Ort: steht still!
                 Wie graunvoll
                 Und schwindelnd ist’s, so tief hinabzuschaun!1Shakespeare, König Lear, 6. Szene, 4. Akt