60, Form oder Nichts

Freiheit im Kunstmachen als die begriffene Gefahr wie Entscheidungsverantwortung, die Möglichkeit ergreifen zu können, sich seines Ausdrucks täglich grundtief zu versichern – im Bild, auf dem Papier, im Ton – oder vor der Entscheidung zusammenzubrechen, daneben zu greifen und sich ausdrucksmäßig verzweifelt werkimmanent zu töten. Der Tod, die Selbstzerstörung im Ausdruck als letzter persönlicher Standpunkt: alles wegschmeißen, verbrennen. Manchmal ist das ein guter Anfang. Die hochgehaltene Entscheidungsgewalt über die Formen oder ihr bewusster Verlust am/ im Werk – als eine Strategie der Selbsterhaltung, wenn sie den Akt der Gegengewalt, des Zweifels als Ausdruck in das personale Ausdrucks-System zeichnen, einschreiben kann, bleibt eine ständige Aufgabe. Die Freiheit besteht in der Befreiung vom Zweifel.
Ästhetische Veränderungen, also formale Entscheidungen für oder gegen eine Form, Farbe, sind ohne Zerstörung (der bisherigen Form, Farbe) nicht zu machen. Aber nur ästhetisch inspirierte intellektuelle Kritik am Werk zerstört nichts, verändert im Werk nichts – bleibt im Orbit von Mutmaßungen stecken. Die Ästhetik der Zerstörung läuft im Prozess am Werk nicht auf die Zerstörung der Ästhetik hinaus – wenn man es aushält.
Die Kunstgeschichte dokumentiert in ihrem Habitus als Geschichte die Veränderungen, die Zerstörungen, die Zerstörungsweisen und interpretiert sie als progressive Entwicklungen – retrospektiv. Es kommt darauf an, sie von der positivistischen Betrachtungsweise epochenmachendem Kunstfortschritts abzukoppeln und sie als dialektische Form des jeweiligen gesellschaftlichen Zustandes zu sehen: als Diskriminierung (sozialer Formentwicklung), als Entleerungsprogramm funktional operierender Kunst-Kritik (Ideologie als Statusversicherung) oder als eine Kunstgeschichte, die sich ihre vertikalen Abhängigkeit bewusst macht und den Zusammenhang transhumaner Formentwicklung beschreibt. Die Kultur der Kritik hat gegen ihre Eingemeindung durch marktpolitische Konsequenzen im Kunstmarkt zu kämpfen.
Die Trägheit des Beschreibens bedingt, dass dieser Prozess erst in der Überlieferung kenntlich, lesbar wird.

 

 

 

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