67, Inkubation und Verkörperung

Echos vergraben im Slum, so viele Herzen und Schläge, Knarren angespannter Muskeln, die gegen embrynales Sein agierende Maschine oder die Hand des Arztes…

Der Akkumulierungszwang des Kapitals verschlingt seine Stoffwechselprodukte wie seinen Stoffwechsel selbst – vernichtet die Ressourcen, die er braucht – und gelangt zum Appetit seiner Exkremente: Zur Absicherung des Systems. Der Menschenaufwand pro Produkt soll stetig sinken bei steigendem Absatz-Bedarf dieser Produkte. Die massiven Angebote, die Überproduktion macht die künftigen Konsumenten für die Hersteller sinnlos, weil sie als ausgestoßene Produzenten keine Konsumenten mehr sein können. In der Verkörperung des „sich ganz abhanden gekommenen Menschen“1Karl Marx, in: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, Ergänzungsband Erster Teil, Seite 523 ist das Kapital in seinem Produktionsprozess „die konsequente Durchführung der Verleug­nung des Menschen.“2Karl Marx, in: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, [Drittes Manuskript] Seite 530 ff Der arbeits- wie ausbeutungsfähige Mensch wird vom Produktionsprozess entkoppelt und wird produktseitig in die Waren eingeschmolzen, in einer erpressten Hochzeit von Mensch und Maschine.3Der Warentausch transferiert zur Tauschindividualität: Das „Individuum“ als Warentauscher, als translator of products, – der Austauschprozess der Produkte als Waren bezieht den Austauschprozess der Produkte als Menschen mit ein. Wo „die Masse des Individuums aber ihre Unteilbarkeit durch ihre Zuteilbarkeit [verlor]“ (Brecht, Gesammelte Werke, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 1967, Band 15, S. 218), dort ist es möglich, dass die Identität – wie im Fall des Packers Galy Gay, der nicht Nein sagen kann – wie ein Auto ummontiert werden kann (vgl. Brecht, GW 1, S. 336). Der „neue Typus von Mensch“ (Brecht, GW 17, S. 977) altert und verjüngt sich mit dem Zyklus des Warentauschs an ihm.

MEIN KISSEN DER ASPHALT/ MENSCHENMEHL ZWISCHEN BLECH ABGAS STAUB MEIN ATEM.

Das bewusstlose an Börsen gekettete Kapital vernichtet mit indexierten Kurserwartungen menschliches Leben – es wird in fiskalische Funktionalismen aufgeteilt. Das kapitale System sichert sich vor dem Ruin mit der Anhäufung an geldwerten Arbeits-Leichen. Personen wissen nicht mehr bestimmte Sachen, Begriffe etc., sondern das jeweilig technokratisch ausgemachte Wissen verkörpert sich – je nach angenommener Bildungslage – in bestimmten Berufen. Personen sind die bloße Verkörperung von Wissen geworden. Funktionalisiertes Humankapital. Zusehens verschwindet die Person hinter ihrer funktionellen Verkörperung. Die dem Handwerksmeister zugeschriebenen individuellen Fertigkeiten lösen sich von ihrem Träger ab. Sie sind der wirtschaftliche Ausweis seines Daseins geworden – sie weisen sich in ihm aus. Was als Gewußtes die Person individualisierte, entmenscht sie nun. Das Ich, das Individuum wird aus dem wirtschaftlich bestimmten Körper ausgetrieben. Die billigen Besitzer der Verkörperungen von Produktionsmaschinen werden auf dem Arbeitsmarkt bevorzugt.
Die Mobilien (Straßen, Autos,, der Asphalt) und Immobilien (Betonbauten, Häuser) bestehen aus Sand, Wasser, Zement und Menschenmehl. Statt Arbeit macht frei und Jedem das Seine muss die nackte Losung 70 Jahre später lauten: Quantified self.4c’t, Zeitschrift für Computer und Technik, 18/2012, Seite 75 „Das vermessene Ich – Körper- und Lebensdaten sammeln rund um die Uhr“
Der eigene Körper ist die vertraute Ware.

 

Foto: Hank Willis Thomas

 

 

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