135, Sein

Das Verb ‚Sein’ vermittelt ein prädikatives Reservoir für die Dinge, für die Subjekte und Objekte der Beobachtung, und ist der ontologische Kitt zwischen den Begriffen, stellt Verbindungen von Beobachtung und Beobachteten her. All das, was verhandelt wird, muß durch dieses Kabel des Seins gelangen, gepumpt, gedrängt, miteinander verklebt werden, wird mit sein verhaftet. Ich bin, du bist, wir sind, es ist – holt die Dinge, die Zustände mit ihnen, ihre unterschiedli­chen Qualitäten in den gleichen Raum (der Objekte, der Kontexte, der Bezeichnung überhaupt) durch die Markierung des Mit-Seins. Das Wort ‚Sein‘ ist ein Strippenzieher. Und ebenso unterstellt die Bezeichnung des Seins – als sein mit dem Sein als sein im Gegenwärtigen – damit vorerst den gleichen räumlich-sprachlichen Aufenthalt. Das  kurze Wort ‚sein‘ verbindet Sprecher mit Angesprochenem und Besprochenem und scheidet sie. Im Aussprechen des Wortes ‚Sein‘ verschwören wir die vielen Einzelheiten, Gegenstände um uns her auf uns ein: Wir sagen: Ich bin dabei gewesen. Wir konstatieren unser Sein in dessen steter Zitierung. Wir anerkennen es im vielfältigen wörtlichen Gebrauch – dadurch vermitteln wir uns ihm angehörig und erklären uns zusammenhängend mit der Welt, mit allem, auf das die sprachlich ausgeformten Zustände, Netze des ‚Seins‘ geworfen werden können. Jetzt gehören wir der prädikativen Nadel an, Seins-mächtig vernähen wir uns mit dem, was vorher nicht begrifflich bekannt gewesen ist und verpassen der Natur eine Grammatik, die aus dem dunklen Wald der Tiere unsere Furcht herauspresst, indem wir sie beschreiben können:  Die Sprache ist der Schweiß unserer Angst. Die sprachliche Einsetzung des Ichs in die Welt, den Fluß der Beschreibung, in das Sein durch es selbst: ich bin, du bist, es ist. Aber dieses Verbindende, dieses Sprachlich-Sein-zu-allem ist nichts von dem, was es verbindet, kann nicht das Zuverbindende, das ewig in sich rotierende Unmittelbare sein, jedoch eine sprachlich Anzeige, der in der Verbindung stehenden wie in Bindung gesetzten Phänomene, Gegenstände. Eine Schweißnaht der Träger, noch keine Brücke, eine Kupplerin, nicht das neue Paar. Wahrnehmen, Beobachten und Bezeichnen füllt die Lücke zwischen Sprecher und Welt nicht endgültig. Die Verwendung von das Sein verbürgenden Formen (Prädikate) ist ein Zug zum Soll, zum Leben.

 

 

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