148, präventive Disziplin als Moral

Ein Schiff mit tausenden Büchern – welches bestimmt den Kurs?

Moral: Eine Gebärde abstrakter Menschlichkeit, gerade wenn sie nur als Handlungsanweisung verstanden wird, hofft man darauf, dass die ihr zugrunde liegende Anweisung für den Angewiesenen menschlich gesinnt ist: Tue das! Tue das nicht! – wird befolgt im Vertrauen, das es allgemein auch gültig ist. All die Imperative, die viele Kinder schon zeitig hören: „Sei artig, bessere dich…“ (ohne zu verstehen) – filtriert die menschliche Beteiligung an Entscheidungszusammenhängen erst heraus, konfrontiert das Subjekt, fordert es zu Handlungs- bzw. Verhaltensentscheidungen –, zwingt das noch schüchtern solitäre Individuum zu präventivem Verhalten, gemäß der ihm gesetzten normativen Struktur einer disziplinierenden Moral zu leben, um sich einzuordnen. Schuldhaft empfundene Bewegungen entstehen an dieser Reibefläche, wenn für das einzelne Subjekt der eigene Lebensbezug darin beschnitten wird oder der normative Kontext vom Subjekt nicht – aus Lebenslagen oder mangelnden Einverständnis heraus – internalisiert werden kann. Auseinandersetzungen, wenn auch im Widerspruch, zeugen vom gelungenen Kontakt der normativ sozialisierenden Gesellschaft mit ihren einzelnen Subjekten. Die soziale Erzeugung von Defiziten am einzelnen Subjekt durch gesellschaftlich eingeforderte Bringepflichten/ Disziplinierungen – also die regulierende Verweigerung von spontanen wie lustorientierten Objektbesetzungen – treibt es desto psychisch tiefer ins gesellschaftliche Labyrinth normativ gesetzter Bestimmungen im Kontext moralischer Forderungen. Das BGB ist ein wortreicher Widerspruch zu den tatsächlich dem Menschen abverlangten Erfahrungen. Der Bürger soll Wort-nehmen, aber ist von seiner Lebens-Sprache abgeschnitten. In der Überwindung des Wassermangels streckt sich die Wurzel tiefer: Du kannst ein freier Mensch sein, aber allgemein definierte Freiheit deckt sich nicht mit konkreten moralischen Umständen subjektiver Freiheitsbedürfnisse. Das Betreten der gesellschaftlich normierten Felder vermittelt den Anwesenden einen Platz in der Recht schaffenden Geisterbahn komplexer Lichtverhältnisse.

Moral ist ein Versteck für besonders leidenschaftliche Erfahrungsjunkies oder Terroristen. Im Terror individualisiert sich das Individuum zu Ende – es folgt einer vergötterten Wahrheit als Moral. Es ist nicht trivial, Moral bei sich selbst zu lassen und menschlich, d.h., moralisch zu handeln. Vielleicht besteht die höchste Stufe von Moral darin, Verantwortung für das eigenen Handeln zu übernehmen.

Hinter postulierter Wahrheit verstecken sich Schützengräben millionenfacher Inkonsequenz, Massenmorde. Da wurde die eigene Verantwortung zielführend einer ordnenden Wahrheit übergeben, wie Napalm über Wälder gegossen. Sich selbst als Verursacher und Beteiligter von kommunikativen Situationen – Handlungen – zu erachten, ist der ethische Imperativ.

 

 

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