154, Kapitalismus (Zwangscharakter als Massenartikel)

Also die Menschen für das Schlachtvieh – oder statt diesem. Die Käufer sind zum Kaufen berechtigt und: sie müssen die Verantwortung für die Ware übernehmen. Die Fleischesser sollen Herr Gott noch mal für das abgepackte Schnitzel zur Verfügung stehen – ist das so schwer? Die Individuen werden zur Kundenkategorie geschliffen – Ver-Braucher –, es wird da alles im Menschen ausgetrieben, was dem Projektil „Massenware“ als Treffer zur Zielgruppe entgegensteht. Aus dem Slogan „Wir müssen die Leute abholen, wo sie stehen“ wird: „Die Leute müssen dort hingestellt werden, wo wir sie abholen können“. In der Tierhaltung wird das erfolgreich praktiziert: zum Beispiel bei Stopfgänsen.
„Der moderne Kapitalismus ist letztlich von einer seltsamen Rückwärtsgewandtheit geprägt: zurück zur Natur. Die globale Wirtschaft, (…), ist dabei, diesen Schritt radikal zu vollziehen. Die öden Wissens- und Informationswüsten haben sich längst in fruchtbare, aber undurchdringliche Informationsdschungel verwandelt. Dort regieren Märkte.“ Wie sollen „die“ Märkte angesprochen werden: Du Markt, eure Exzellenz, unbekannterweise, oder haben die Märkte eine postalische Anschrift? „Vorbei die Zeit, in der es Sicherheitsnetze gab, welche die Unproduktiven aufgefangen haben.“ Die Unproduktiven? Die Ausländer, die Schwulen, die Behinderten, oder „einfach“ diejenigen, die sich dem „Markt“ widersetzen, weil er sie nicht gebrauchen kann? „Die Natur schlägt zurück.“ Ja die Natur ists.
„Die Konsumenten werden, so konstatieren die Autoren, nicht mehr mit dem rational besseren Argument angesprochen, sondern verführt oder ruhig gestellt. Unternehmer verwandeln sich so zu listigen Märchenerzählern, die sündige Neuheiten an den Käufer bringen wollen. >>Sie wissen, das unsere Gehirne von Emotionen gesteuert werden.<< Deshalb ist die Fokussierung auf stimulierende Marken von so großer Wichtigkeit. Im Fadenkreuz [in der Zieloptik jener Waffen, die auf Zielgruppen spezialisiert sind] stehen natürlich die immerwährenden Träume der Menschheit [die angestellten Manager träumen davon, dies durch ihre Produkte profitabel vermitteln zu können]: auf ewiges Leben, Glück, ewige Jugend, Männlichkeit und ewigen Reichtum. >>Traum kämpft gegen Traum, und überall auf der Welt eifern die Unternehmen um das Geld und die Seelen der Kunden.<< Der Kunde muß [!] süchtig gemacht werden. Die unzulängliche menschliche Natur ist der eigentliche Motor des Kapitalismus.“1Süddeutsche Zeitung, in der Rezension (Peter Felixberger, „Unbegrenzte Möglichkeiten“) des Buches „Karaoke-Kapitalismus“ (Jonas Ridderstrale, Kjell A. Nordström) vom 24./25. September 2005 Was für ein Dreck!
“Denn die Menschheit muß kriegerisch werden“2vgl. Brecht, in: Schriften zur Literatur, II. Band, Suhrkamp, Seite 57: „Es ist die Kunst, die den Menschen so über sich selbst hinaustreibt.“ , um nicht ausgelöscht zu werden, um zu bleiben.
Die menschlichen Anfälle von Wahnsinn sind letzte Salven für die Beschreibung von unmenschlichen, bedrückenden Zuständen; sie sind menschliche Äußerungen dagegen.

 

 

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