156, Kunst und Wahnsinn

Die Kunst und der Wahnsinn treiben den Menschen über sich hinaus.1vgl. Brecht, in: Schriften zur Literatur, II. Band, Suhrkamp, Seite 57: „Es ist die Kunst, die den Menschen so über sich selbst hinaustreibt.“
Kritik an allem und jeden und sich selbst ist Daseinsweise geworden. In sie verstrickt, ins Nie-gut-genug, ist das Gebaren von Mangel-Existenz inmitten von Zerwürfnissen zur Lebensaufgabe geworden. Der allzeit bereite kritische Habitus des gefährdeten Subjekts, Künstlers, Menschen hält somit den Kontakt zum bereits unsicheren, aber noch zuckenden Real-Utopien aufrecht. Das Nörgeln hält gerade noch gegen das Außen zusammen. Die Realitätsabwehr gewährt Selbstbehauptung – bis zur Verknöcherung zusammengeschrumpft. Der Sturm in den Warenauslagen geht durch die Passanten: In das frische – un-ver-brauchte – Ich wird endlich ein marktmögliches gesetzt. Wenn es endlich schwach und eingeordnet werden kann, ist es Verbraucher geworden.
Die Beschäftigung mit Kunst dient als Verwandlung psychischer Auswüchse zu Schöpfungsakten, die den Sturm individueller Deformation als Selbsterfindung gestalten und unterhalten, die das „Gleichgewicht zur Hölle“ wieder herstellen kann. Wo ehemals das Ich war, sind dessen Leerstellen getreten, dessen Rückzugsgebiete, seine Abdrücke: Manchmal sind es Bilder, Choreografien seiner Attidüden, Schreie oder Shoppingtouren. Die Wiederholung alltäglicher und oder künstlerischer Praktiken der Entgrenzung, unendlicher Differenzierung ist zum Gestus der Selbstbehauptung, des Überlebens ausgewachsen.2Lacan erkennt in Freuds „signifikanter Artikulation der Wiederholung den Primärprozeß im Kreislauf der Realität“. Jacques Lacan, in: Schriften III, Seite 11 Die mögliche Veränderung des Lebens hat im Vergangenen ihre Statt. In der flexiblen Gestaltung, Interpretation des biografischen Materials. Von dort kann es (hier) entdeckt werden. Jene Erfindungen der Wiederholung bilden den Antrieb, von den bezwängenden Phänomenen los zu kommen, sie negieren den Aufenthalt, sie flüchten vor dem Tatort in die Spekulation, in die Ver-Rückung – man flieht die alten vergangenen Zusammenhänge, indem beständig neue konstruiert werden: Artifizielles Stadium. Das Wüten zur Schönheit ein Versteck gegen das Erkennen, gegen das Freilegen von Zusammenhängen, ist das Abdichten vor zerstörerischer Alltäglichkeit.

 

 

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