94, Spaltung : Beobachten, Erwachen, Denken

Was soll aus dem Subjekt hervorgehen? Seine Literatur? Wie kann es wirksam darin werden? – Mit einem Wissen um Selbstbezüglichkeit, um die eigene Subjekthaftigkeit, geschmiedet zum anamnetischen Selbstbewußtsein, zum Ego? Es beginnt mit einem sich zum Subjekt begreifenden organischen Körper – ein in die Welt gesetzter und von ihr behandelter Objektivismus, der dem erwachenden Ich vorgesetzt ist. Die vorgefundene Welt als eine durch das Subjekt stets neu zu produzierende Äußerlichkeit, der es sich stellen muß. Dem Erwachenden ist sein Körper zunächst äußerlich; das in die gerade geöffneten Augen flutende lichte Operationsgebiet ist noch ohne Koordinaten, ziemlich irritierend. Das dem Subjekt Ferne und Fremde entspinnt sich durch sein Beschreiben aus ihm heraus in es hinein – wie seine Zuschreibungen sein Eingesponnenes werden. Fremdkörper. All das, was es beschreibt, wird für die folgenden Beschreibungen mitgeschleppt. Ein riesenhaftes Gerüst, das seine Baustelle verdeckt. Dieses Subjekt wird aus seinem Körper gekocht, denn es ist nicht nur Beobachter eines Außen, es ist sich selbst Beobachtungsgegenstand, der das Beobachten und das Beobachtete zu beobachten gelernt hat (Beobachtung 2. Ordnung).1Dieses Sich-selbst-beobachten drängt das geistesgegenwärtige Individuum in eine Art Zirkularität zurück: „Das Gesichtsfeld erscheint uns stets geschlossen; es gibt keine unsichtbaren Stellen. Mit anderen Worten: Wir sehen nicht, daß wir nicht sehen. Wir sind blind gegenüber unserer eigenen Blindheit, das ist ein Beispiel für eine Problematik der zweiten Ordnung. Das Nichtsehen wird auf sich selbst angewendet. Aber: Die doppelte Verneinung (das Nichtsehen des Nichtsehens) ergibt keine Bejahung. Daß wir sehen, daß wir nicht sehen, heißt nicht, daß wir jetzt sehen. Und das bedeutet, daß sich die Logik der Begriffe zweiter Ordnung nicht mit der orthodoxen Logik verträgt. Denn demgemäß müßten zwei Verneinungen eigentlich eine Bejahung ergeben.“ Heinz von Foerster, Berhard Pörksen, in: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg, 2019, Seite 114 und 116  Die konstitutive Einheit des Menschen als Beobachter, der sich im Beobachten mit in das Boot des Beobachteten setzt und seine Welt hervorbringt, konditioniert auch die Bedingungen der Spaltung zwischen Beobachter und Beobachtetem. Dort kommen das Dasein und der Zweifel her. Cogito ergo sum – Zweifel und Dasein als Eines. Die Beschreibungsgeschichte des Subjekts zwängt es in sie hinein – an was soll es sich sonst halten, wenn es seine Be -und Einschreibungen permanent in Frage gestellt sieht: durch die Beschreibungswelten aller Subjekte.

 

 

Kategorisiert in: