75, Biografie neoliberal
Das neoliberale Narrativ des Geschichts- wie Schicksalsmächtigen Individuums – es sei für alles was ihm als Niederlage entgegentritt nur selbst verantwortlich, verschwistert die Forderung, Verantwortung für eigene Entscheidungen zu übernehmen mit der Ohnmacht, Entscheidungen mächtiger Instanzen zu erfüllen. Der selbstermächtigende Weg zwischen Sein (Sozialisation) und Bewußtsein ist ein schmaler Grad. Die erstrebenswerte Individualisierung stößt im Spaltungsprozess funktioneller Einverständnisse – zugunsten des Lebensunterhalts – an ihre Grenzen und versperrt dem sich selbst noch unangekommenen Individuum die Sicht auf seinen Dreck durch den davor liegenden Müllhaufen der Menschheit – woran es Teil hat. Die schlechte Auserwähltheit in Form von interessanten Jobs, neuer Projekte, von Arbeit, die Spaß macht, wird gegen das eigenmächtige Leben ausgespielt – es kommt nicht zum Zug. Lebensträume werden in funktionale Jobs eingetütet. Die dem Subjekt auferlegten Funktionen werden ihm als Individualismus überantwortet, obwohl das Individuum gegen die institutionalisierte – habituierte – Unsicherheit machtlos bleibt, wird ihm jegliches Scheitern angeheftet.1Zum Begriff der Institutionalisierung und Habitualisierung: Peter L. Berger, Thomas Luckmann, in: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Fischer Taschenbuch Verlag, 1980 Seite 56 f u. a. O. Das produktive Funktionieren ist als Individualität deklariert, aber im Individuum funktioniert sie nicht, denn sie besteht in eigenwilliger Anpassung.2Vgl. Pierre Bourdieu, in: Gegenfeuer 2, UVK Verlagsgesellschaft mbH, Seite 30-32
Die Selbst-Beschreibungsstrukturen rekonstruieren genau die Welt, in die sich das Individuum einpassen kann. Ja, die Geschichte, der Erzählstoff eines Lebens entsteht aus der zunehmenden Spiegelung herrschenden Selektionsdrucks im Nachrichten-Produktionssystem: als Aufmerksamkeitskapital in der Konkurrenz des Scheiterns.