46, TV – total vulgär

Wo der Mensch die Beherrschung, das Beherrscht-Sein über sich verliert, gilt er als authentisch, individuell motiviert. Zuweilen werden im TV die Gäste zu solcher Performance provoziert – so im Dschungel-Camp – falls sie nicht nur als mitspielende Staffage gebraucht werden. Die neue ästhetische Form medialer Aufmerksamkeit verlangt, sich in einer Performance, Happening des eigenen Mangels auszuliefern: Authentizität als unkontrollierte oder absichtsvolle Verletzung normativen Verhaltens. Die ästhetisch aufgeladene Geste des unvorbereiteten spontanen Agierens, oder die öffentliche Inszenierung – zur Schau-Stellung – von Intimitäten kann da nicht lange warten. Die Authentizitätsfeier der Emotionalität markiert den verkrüppelten sozialen Körper – eine Entlastung vom Leistungsanspruch biografischer Optimierung. Selbstinszenierung ist Selbstverwirklichung geworden, die Notation des Wahrgenommen-Werdens in den sozialen Medien ist zum Habitus der Person, ihre verwertbare Maske geworden. Für diese Art Selbstfindung oder Identitätsversicherung braucht es Aus-Stellungen. Das Publikum hat ein Stück, ein Skript nicht nötig, es spielt sich selbst und schaut ergötzt sich in die eigenen Masken.
Was für eine Party überall: die soziopathische Vervollkommnung der kapitalistischen Gesellschaft durch konsumtionelle Attidüden. Die Modellierung des soziopathischen Aufmerksamkeitskörpers – Selbstverwirklichung must be – im kapitalen Produktionsproszess als werbewirksames Narrativ für verstörte Konsum-orienterte Verwirklicher wird als selbstbezügliche Attidüde ratifiziert. Der Kampf gegen die Eltern wird mit den von ihnen bezahlten Sneakers beglichen.
Krankheit und Produktion gehören zusammen, selbstverständlich: persönliche Authentizität wird als Liebe, Zuneigung zu Brands vermarktet, gebrandmarkt.

 

 

 

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