108, Kapital und Menschen im Center

Die Formen des individuellen Einsatzes in der jeweiligen Arbeits- bzw. Produktionsstruktur werden als Verkörperungen aufgewendeter Arbeit in Waren (Produkte) überführt. Die Entleiblichung findet im warenförmigen Spiegel des Produkts ihren Platz. Im geschaffenen Produkt vegetiert die verlorene Zeit des Erzeugers – und ist ihm entrissen. Die billigen Hemden von H & M sind die abgezogenen Häute von Thailändern, Bengalen, Chinesen, Türken: von denen, die sie herstellen. Ich halte mein jeder hält sein knappes Elend aufrecht mit dem der Anderen. NESSOS vergiftet nicht den Träger, sondern die Hersteller seiner Hemden.
Das Anhäufen von Warenwelt  im Shopping – als individueller Lebensausdruck, ich kaufe also bin ich – als ein Wettlauf gegen die Zeit: gegen den Verfall der Produkte als Ladenhüter und dadurch der Verlust der in ihnen aufgewendeten Lebensbestimmung, Die Moden wechseln saisonal und damit die zu verwerfenden ehemaligen Fixpunkte individueller Ausstattung. Als ein Verlust-Begehren, sich dieser verlorenen Zeit, der Nicht-Existenz wieder zu bemächtigen. Über die Bereicherung wird Bemächtigung ausgeübt. Mit dieser durch Kauf vollzogenen Wiederbemächtigung des in Produkten entkörperten Lebens, wird die erfolgte Entmächtigung wie körperliche Enteignung bestätigt wie zurückgenommen. In der (käuflichen) Wiederaneignung des Produkts erlangt der für dessen Herstellung sich verlassende Mensch für einen Moment wieder Kontrolle, einen Sinn.
Die Auflösung aller Beziehungen… in Tauschwerte, Netzwerke, in deren funktionalisierte Käuflichkeit markiert einen Kanal der Verstärkung formaler – von Dingen, Objekten bestimmten – Daseinsweisen. Wir erkennen uns in den uns entrissenen menschlichen Versprechen – den Waren – mehr als bei uns. D. h., wir sind in den erworbenen Abbildern, die zu Waren verformt wurden und als individuell verklärter Menschlichkeit wieder erkannt werden sollen, heimisch geworden.
Ist es möglich, menschlich innerhalb des erzeugten Widerspruchs zu leben, sich aufzuhalten? Zerreißung a priori. Dem Reichtum der Welt samt seinen ästhetisch verzierten Blutspuren, Halsketten, ist endlich die aufgesetzte Fratze der Schönheit Glätte herunterzureißen. Hierin waltet die Projektion des Ästhetischen als saubere Landschaft, frei vom Gestank ihrer qualvollen Bedingungen.

Dem sinnlichen Bedürfnis, dem Bedürfnis nach Sinn für sich oder die Suche nach einer körperlichen Entsprechung zu einer Blume, schönem Tier, gilt es, nachzugehen. Die Regung der Nerven, durch die Osmose in den Lungenbläschen angestoßen, von der Leber her, ist fundamental für den Grundvorgang des Lebens, das ohne Empathie sinnlos wird.

 

Center Mittelmeer

Gesichter braun geteert
Zugepudert
Hosen am Knie
Aufgeschlitzt
Im TV life
Die Körper
Ächzen nach Ware.

Drängeln gegen Armut
Mit Ellenbogen
Arme voll
Hangen
An ausgewühlten Sachen
Bis zur Anprobe

Der letzte Schrei
Der Näherinnen

Egal!
Passt.
    Vielleicht
Bis morgen.

Ob Umkleide oder
Meerestrand:
Hemd oder Schwimmweste
Umtausch
Nur für Flüchtende.

 

 

 

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