110, Arbeit Ware Empathie

Das in der Produktion von Waren mit ausgesprochene Einver­ständnis zur Praxis dieser Produktion, ist oft erzwungen. Es kann aber im Mitleid zu sich selbst, zur eignen Lage als Widerspruch des eigenen Wollens aufgebrochen werden. Die Tarnung der produzierten Gegenstände als Lifestyle würde dann ihre Nutzer nicht mehr zudecken. Sie verschwände durch die im Ich erarbeitete Ent-Täuschung über seinen Zustand. „Die Forderung, die Illusionen über über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf.“1Karl Marx, in: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Karl Marx, Friedrich Engels Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin 1988, Seite 379 Aufklärung reicht nicht, wenn es keinen Ausweg gibt. Ab hier ist der Arbeitsplatz Quälstation.
Andernfalls müsste das jäh aufs neue enttäuschte Ich sich noch neueren Täuschungen hingeben, um die alten endlos von neuem zu überwinden. Dann hätte es sich mit dem Zustand der zwanghaften, aber produktiven Täuschung arrangiert. Ein Sinn im Leben mit sinnentleertem Konsum bleibt zu suchen. Dieses arrangierte Subjekt ist als Ressource verwertbar, weil es in der Überwindung seiner menschlichen Ansprüche den Kriterien kapitalistischer Systematik entspricht. Der Produzent ist Produkt geworden.
Mit leidender Empathie zu sich selbst kann sich das Subjekt als Teil fehlender Wirklichkeit, als fehlender Teil seiner unverwirklichten Welt begreifen. Einigen gelingt es, sich als Teil, der der Welt fehlt, als Fehler, der gebraucht wird, darzustellen. Wenn dir Mensch ein Stück Welt fehlt, muss das der Welt auch fehlen.
Aus dem empathischen Erkennen eigener Möglichkeiten oder Un-Möglichkeiten wird das Fehlende deutlich. Hierin kann sich das empathisch begriffene Subjekt seine Differenz zum produktivmächtigen Pragmatismus darstellen. Es kann zeigen, was der Welt fehlen würde, wäre es nicht so da. Es ist Objekt und Objektiv seiner Beobachtung zugleich. Als Organ der Selbstbeschreibung ist der Mensch dann ein sich selbst machendes (vergrößerndes) Wesen. Aus der negativen Erfahrung dieser durch Mitleid vollzogenen Abspaltung vom Commen sense ist sinnliches Neuland zu gewinnen und kann Kunst, d. h. Lebensraum durch Ausdrucksraum entwickelt werden. Im Abbruch kann das Gebäude studiert werden. Dasjenige, was ich im tradierten Verstehenwollen der Wirklichkeit mit dem synthetisierten Kalkül des ihr unterstellten Objektseins abschlage – also: damit ich verstehen kann, zerstöre ich, um anzueignen – ist zugleich das, was dieser Wirklichkeit fehlt. Das engt wiederum die so betrachtete Wirklichkeit auf den Logos des gereinigten Objekts ein. Die Aushöhlung des Ichs beginnt in der Arbeit mit seinen Leerstellen, seinen Unverständnissen, den Mängeln, den Tunneln, beginnt an der Verbindung wie Schnittstelle zur Welt als Vorstellung eigener Möglichkeiten.

 

 

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