125, Erfahrung und Präsenz

Als „Präsenz des Vergangenen im Gegenwärtigen“ ist ein Großteil von Erfahrung beschreibbar, besonders wenn Erfahrung als abrufbarer Denk- und oder Gewißheitsstatus auftritt – sie sich in Wiederholungsmustern zeigt, verfestigt. Die Wiederholung von Erfahrung korreliert mit dem Lustgewinn durch die Wiederholung. Aber gerade in der Wiederholung zeigt sich der strukturgebende Prozeß zirkulärer Realität.1Jacques Lacan, in: Schriften III, Seite 11: „…[Die] signifikante Artikulation der Wiederholung als Primärprozeß im Kreislauf der Realität…“ Die Erfahrung ist eine Spur, ein Trampelpfad, dessen Benutzung eine Art Verlässlichkeit für die Gegenwart erzeugt. Sie ermöglicht mit dem Schon-Gewußten das Unabgeglichene zu erobern. Die Matrix meiner Erfahrung ist das grobe Netz auf unbekanntem Gelände. Das etwas zur Erfahrung gelingt, braucht den Mut und den Eigensinn, das, was als Handeln geschah, nochmal zu probieren. Die Erfahrung des ersten Kusses konnte sich durch die wiederholten Küsse festigen, steigern; der jähe Atem damals erinnert sich mir im Vergleich zu seiner sonstigen, heutigen Normalität. Aber auch das Jetzige ist gesichert in den zeitlichen Ablagerungen, der Vergangen­heit, in der Schlacke. Meine Rückstände sind meine Gehhilfen. Zufriedenheit als ein In-sich-ruhen, d. h. aus seinem eigenen Erfahrungs-Schwerpunkt heraus zu agieren, würde dann das Auskommen mit den gemachten Erfahrungen bezeugen. Reißt aber die Erfahrungskontinuität ab (z. B. durch ständigen Arbeitsplatzwechsel), entschwinden die Erfahrungs-Ablagerungen und das Dasein böte keine vergehende Zeit mehr an, keinen Schutz im Vergangenen. Nur die Zeit treibt auseinander. Lebensspalt, Schwemmland. Ursache (Entspringen) und Wirkung (Aufkommen) betreten und treffen nie den gleichen Platz,

 

 

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