170, Das Andere wahrnehmen, heißt sich ändern

Der öffnende, wahrnehmende Kontakt zur Andersheit (Außen-Welt), zu dem allen, was Ich nicht ist, transzendiert ins Ich und wieder nach Außen: Die sinnlichen Qualitäten – Farbe, Geruch, Laute – werden zu Objekten verhärtet. Die Schönheit – eines anderen Menschen – trifft auf die Öffnungen der Sinne, auf die Wunde der Wahrnehmung, auf die Wahrnehmung der Wunde: Nicht-Ich und ein Objekt! Offen, verwundbar durch Sensibilisierung und Evolution sind die Sinne bereit für die Wunde: Jeder für sich: Ich. Die Wahrnehmung gerinnt selbst zur Differenz zwischen Sinnesorgan und Sinnesreiz, zwischen Aug und Blume. Aus den Öffnungen der Sinnesorgane fließen Objekte raus und rein. Als würde die Schönheit eines Libellenflügels die Sinne nur öffnen, damit der von Schönheit Getroffene die Wunde des Staunens mit sich selbst schließen möge. Identisches müssen wir hier suchen: wo sich nichts mehr ändert, wo es Einferständnis gibt: zum Anderen. Diesen Prozess – den Grind zur Welt herzustellen und immer wieder aufzureißen –, können wir als wahre Erfahrung hinnehmen. In der Wahrnehmung bekommt die Schönheit Form – ein Objekt ohne Bewertung. Wahrnehmen selbst wird angenehm – viele schauen gern auf das Meer, in die Berge. Formen machen Sinn, weil sie als schön, weil unabhängig von geschäftigen Kontexten erkannt werden. In diesem Gerinnungsprozeß zeigt sich das Ich, jenseits seiner Häute. So ist dies wahrnehmende Subjekt stetig in Bewegung, sich nieder zu reißen, seiner physischen Natur zu stellen und gegen sie aufzubaun und nicht in Schönheit zu erstarren. Wahrnehmen – als Existenz, als Füllung mit Welt – bedeutet, dass man nicht mit sich identisch wird, dass man sich permanent als ein anderer gegen die begehrten Objekte, Formen sich dünkt, ja, und dass man nicht stirbt, solang die Welt eine andere bleibt.

 

 

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