133, Choreografie und Entropie

Die Zeichen der gelebten Zeit, die Laufspuren quer durchs Leben als deren ereignishaften Falten, eingegraben in letzte freie Hautzonen: an Händen, in Gesichtern. Wie bildet sich der Lauf der Zeit, das Laufen durch die Ereignisse im Körper ab?
Statt: Ich verliere Zeit zu sagen, müßte es heißen: Ich bin die in einzelnen, aufgereihten Ereignissen sedimentierte Zeit: Eine herausgeschlagene Figur. Erst mit dem Altern wird sie sichtbar.
Mein Körper gab sich jedem Moment hin, um an dem Ort zu sein, wo die Zeit für ihn da war. Um in der Zeit zu bleiben, vergisst man sie. Ich habe Zeit in meinen mir zu Teil gewordenen Ereignissen gehabt und nun ist meine Körperzeit nicht mehr Teil des Ereignisses.
Ich verliere die Zeit in meinem Körper. Er brauchte sie. Er tilgte sie. Jetzt weicht sie ihm, reicht nicht aus. Er verfällt, Falte für Falte fängt er sie noch. Entropie als Abnutzung: Arthrose. Die Gestalt des Menschen als entropistische Ausweitung? Verkörpert in gehäuteten Verfall-tungen. Jede Bewegung eine Form, eine Figur des Verschwindens, eine Fluktuation zum finalen Sternenstaub auf der Tanzbühne des Lebens. Eine Choreografie der Entropie – mit verschlissenen Knien, kaputten Füßen. Die Entropie des Körpers beschleunigt die Bewegungen im Jetzt – tanzen gegen den künftigen Entzug von Beweglichkeit. Unsere Ausdrucksfähigkeit: Unser Begehren gilt dem Moment, eingefaltet in die Sehnsucht nach einem Pas de Deux der Körper.
Wie lange kann man sich anfüllen, um schmerzfrei erkalten können, um durch das Loch der Erkenntnis zu stürzen?

 

 

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