111, Wahrnehmung als Störung des Gegenstandes: Schnittstelle

Das in der Betrachtung in Betracht gezogene, das, was als das Wahrzunehmende, als die unmittelbar wahr zu nehmende Totalität der Umwelt uns entgegen kommt, markiert eine Schnittstelle, die ein Verhältnis zum betrachteten Gegenstand, schlicht ein Verhalten zu ihm fordert. Indem das bisherige Verhältnis (von Beobachter und Beobachtetem) verletzt oder abgeschnitten wird, kann die Stelle einer neuen Verbindung geschaffen werden: Schnittstelle, Interface. Die durch ungewohnte, schockhafte Wahrnehmung erzeugte Verletzung, Neuausrichtung des in die Wahrnehmung gesetzten Gegenstandes, also seine unmittelbar neue sprachliche Verkörperung, ist Bedingung dafür, dass das Wahrgenommene ins körperliche Verhältnis umgesetzt, mit Auge, Nase, Haut übersetzt werden kann; es muß geschnitten, gekocht, transformiert werden, damit eine Verbindung gelingt. Bevor Hegels Vergewisserungstechnik der Aufhebung1Vgl. Karl Löwith, in: Hegel und die Aufhebung der Philosophie – Max Weber, in: Sämtliche Schriften Band 5, J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1988, Seite 6 ihre Spiralen entwickelt, steht dem Schauenden die Totalität des ersten Kontakts, der Unmittelbarkeit, sein Auf-den-Gegenstand-Geworfen-sein, die Negation seiner Selbsteinschätzung als zu erfahrende Traumatisierung, Störung bevor. Jedem Schauen wohnt dieser Schauer inne. Weil die Schleusen (Sinne) offen sind, vermögen die Gegenstände (Wahrnehmungsdinge), sich in den damit materialisierenden Beobachter (Körper/Geist) zu bohren, sich ihm anzuverwandeln. Sie machen mit ihm etwas. Die Objektivierung der Gegenstände entschlüpft dem Subjekt grausam als eigenes Objekt, das niemals wieder Subjekt werden kann. Auch Diederichsen hat das bemerkt, wenn er über die notwendige indexikalische Produktion von Ausdrucksmitteln und deren Ambivalenz spricht: „…dass man sich also zum Objekt machen lassen muss, ohne deshalb die subjektiven Anteile je loswerden zu können.“2Diedrich Diederichsen, in: Körpertreffer – zur Ästhetik nachpopulärer Künste, Suhrkamp Verlag Berlin, Seite 142

 

 

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